Herabstufung
Standard & Poor's stößt Spanien tiefer in die Krise
Spanien in der Krise. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit des Landes herabgesetzt - und dies um gleich zwei Stufen.
Das macht sich sogar an den Börsen in Fernost bemerkbar.
Handelsblatt - 26.04.2012, 23:24 Uhr, aktualisiert 27.04., 07:03 Uhr
Die Leser-Kommentare
dazu Handelsblatt - 26.04.2012, 23:24 Uhr, aktualisiert 12:26 Uh
Die Leser-Kommentare
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Hier mal der Versuch einer [sicher nicht vollständigen] Situationsbeschreibung:
Immobilien-Chaos
Mit etwa 1,5 Mio unverkäuflichen Immobilien und weiter fallenden Preisen hält das Land einen traurigen Rekord.
Zahlreiche Spanier haben in der Bau-Boom-Phase bei niedrigen Zinsen und rasant steigenden Preisen ohne Not in Zweit- und Drittwohnungen investiert.
Nachdem die Blase platzte, haben sich viele „eine blutige Nase“ geholt, wie man sowohl an den faulen Kreditengagements, als auch an dutzenden Geisterstädten erkennt.
Marode Banken
Nach der Immobilien-Zockerei haben die Banken erhebliche Probleme. Rund € 325 Mrd. an Immobilien-Krediten und deren Besicherung verlieren rasant an Wert. Es wäre keine Überraschung zu "gegebener Zeit" von weiteren, bislang geschickt versteckten milliardenschweren Kreditrisiken zu hören. Diese Einschätzung gilt nicht nur spanischen Banken und institionelle Anlegern.
hohe Arbeitslosigkeit
Aktuelle zahlen 5,7 Millionen arbeitslose Menschen (24,4%) weder Steuern noch Sozialabgaben, das Haushaltsdefizit wird dadurch weiter angeheizt. Die im Februar verabschiedete drastische Arbeitsmarktrefom führt unter anderem dazu, dass Entlassungen erheblich erleichtert werden.
Proteste gegen die Regierung
Durch die eingeleiteten Reformen hofft die Regierung, langfristig neue Jobs geschaffen werden. Denn Unternehmen stellen Mitarbeiter nur zögerlich an, wenn diesen nicht rasch wieder gekündigt werden kann. Die Gewerkschaften sind davon überzeugt, dass infolge der Reform noch mehr Arbeitsplätze vernichtet werden. Es erscheint zweifelhaft, ob mit solchen Maßnahmen mittelfristig neue Arbeitsplätze entstehen werden.
Folgen der Sparpakete
In einem Versuch, die Wirtschaft anzukurbeln, hat Spaniens Regierung Milliarden ausgegeben. Folgerichtig schnellte das Haushaltsdefizit in bisher unbekannte Höhen, was zwangsläufig der Wirtschaft erheblich schadet. Folge: tiefe Rezession!
"Klimawandel" und grüne Wirtschaft
Die sozialistischen Vorgängerder Rajoy-Administration versprach sich durch die knallharte Einschränkung der CO2-Emissionen eine Flut grüner Arbeitsplätze. Eine interne Einschätzung der heutigen Regierung zeigt das Gegenteil: Spaniens Energiepreise explodierten und durch die Regulierung gingen pro geschaffenen Arbeitsplatz zwei verloren.
Unternehmen sind nicht konkurrenzfähig
Spanien hat mit dem Eintritt ins Euroland auch dessen tiefes Zinsniveau geerbt. Das Wirtschaftswunder war auch Folge der expansiv wirkenden Geldpolitik. Das dadurch steigende Lohnniveau in Kombination mit der tiefen Produktivität hatte zur Folge, dass die Konkurrenzfähigkeit der Spanischen Produkte im Ausland stark sank.
Börsen auf Talfahrt
Die spanischen Aktienmärkte haben wegen der schwachen Wirtschaftslage seit Beginn des Jahres um mehr als 19 Prozent an Wert verloren.
Fazit:
Eine hübsche Motivation für andere Euro-Länder, dem spanischen Beispiel zu folgen ... oder etwa nicht?
Die Euro-Junkies werden große Mühe haben, weiterhin interessierte Zuhörer für ihre Märchenstunden zu finden.
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Ergänzend, für die Fan's semantischer Polit-Akrobatik sei auf Illner's Talkrunde verwiesen.
Gäste:
Jürgen Stark (bis 2011 Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank) ... kam leider nicht ausreichend zu Wort und wurde ständig unterbrochen!
Steffen Kampeter (CDU - parlamentarischer Staatssekretär im FInanzministerium) ... nach meiner Wahrnehmung mit einer Lernkurve auf der NULL-Linie
Sigmar Gabriel (SPD-Vorsitzender) ... Kritiker des Merkel'schen Spardiktats und Protagonist von Eurobonds
Schon fast erwartungsgemäß brillierten beide Polit-Strategen mit faktenfreier Argumentation (von bösen Zungen auch "Geschwurbel" genannt)
Beatrice Weder di Mauro (Wirtschafts-Professorin und ehemaliges Mitglied der "Wirtschaftsweisen" - jetzt im Verwaltungsrat der Schweizer Großbank UBS - Die blitzgescheite Ökonomin scheint während der Stationen ihrer Karriereleiter bei IWF, Weltbank, Universität der Vereinten Nationen in Tokio, Harvard University und Federal Reserve Board signifikante Kerninhalte ihrer eigenen Dissertation „Wirtschaft zwischen Anarchie und Rechtsstaat“ stellenweise "verdrängt" zu haben) ... schließt das Auseinanderbrechen der Währungsunion nicht aus und proklamiert noch höhere "Brandschutzmauern". Dabei blendet sie geflissentlich die desaströsen Wirkungen solcher Forderungen auf die Bevölkerung(en) aus!
Dirk Müller scheint nach meiner persönlichen Wahrnehmung seine bisherige Position als unbequemer Kritiker unseres Polit-Theaters zu verwässern und schlägt sich auf die Seite Merkel'scher Alternativlosigkeit, räumt allerdings ein, dass es aus seiner Sicht zur Bewältigung der Krise keinen Königsweg sondern nur unterschiedlich schmerzhafte Lösungen gäbe. Bis vor zwei Jahren reklamierte er noch lautstark ein sich steigerndes Demokratie-Defizit in Europa. Bei seinem gestrigen Auftritt war von dieser Position allerdings kaum etwas zu bemerken ... vielleicht hat er im Zuge der wenig zielführenden Wortgefechte einfach nicht daran gedacht. Wichtiger war ihm wohl, die Argumentation von S&P zum erneuten downgrading Spanien's aus einer ironischen Perspektive zu beleuchten [Stichwort: England behält die triple A Bewertung, weil das Land nicht Teil der Eurozone ist und durch die eigene Währungs-Souveränität den Turbulenzen mit Abwertungs-Strategien begegnen kann]
... zum nachlesen - ZDF: Aus für Merkels Spardiktat?
Die Talkshow (wohl eher Show als Talk) in der ZDF-Mediathek [63:04 Min]
Leser-Kommentare zur Sendung "Was ist der Euro noch wert?"