Entmystifizierung des Begriffes Geld

#1 von Oeconomicus , 01.02.2012 05:57

Spricht man mit Freunden, Kollegen oder Bekannten über das Thema Geld, seine Bedeutung und Funktion, entsteht der Eindruck, dass eine große Mehrheit der Leute nicht wirklich weiß, was Geld ist.
Stimmt nicht, meinen Sie? Dann kennen Sie sicher auch den Prozess der Geldschöpfung ex nihilo, oder kennen die Unterschiede zwischen Bar- und Giralgeld?

Wir wollen hier mal mit unregelmäßigen Beiträgen versuchen, den Begriff Geld näher zu beleuchten und freuen uns auf diesbezügliche Fragen, Anregungen und Kommentare.

3 SAT Kulturzeit sendete am 22.Dezember 2011 ein Interview mit Fritz R. Glunk, dem Herausgeber der Zeitschrift "Die Gazette".
Diesen Beitrag (8:46 Min) möchten wir Ihnen gerne empfehlen:

http://www.youtube.com/watch?feature=pla...yAZVDvdk#t=182s

Fritz Glunk hat einen Aufsatz von John Ralston Saul, Titel "Geld gibt es gar nicht - Die Wahrheit über Staatsschulden" übersetzt und in der Gazette veröffentlicht.

Der Beitrag ist als PDF-Datei hier verfügbar:

http://www.gazette.de/Archiv2/Gazette32/Saul.pdf

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RE: Entmystifizierung des Begriffes Geld

#2 von haenschen , 03.02.2012 12:12

Der Artikel ist meiner Meinung nach ziemlich widersprüchlich. Einerseits sagt er, dass Geld Schuldgeld ist. Da hat er Recht. Er rät dazu, Schulden nicht zurück zu zahlen, sondern es, wie weiland Julius Caesar, einfach nicht zu tun. Ab einer gewissen Größe hat der Schuldner weitaus mehr Macht.

Dann meint er salopp, dass es "Geld" eigentlich nicht gibt.

Nun denn, ich stelle mal eine Gegenthese auf: Wenn Kredite nicht mehr bedient werden, werden auch keine mehr angeboten. Kein Kredit, kein Geld, denn Geld ist immer Schuldgeld. Kein Geld, keine Investiton, keine Investition kein Kapitalismus und kein Markt. Trägt der Bauer die Sau (in die er investiert hat und zwar evtl. auch Geld fürs Futter und den Stall) nicht zum Mrkt, fällt der Saumarkt halt aus und die vegetarische Currywurst findet nicht statt.

Oder liege ich da falsch??

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RE: Entmystifizierung des Begriffes Geld

#3 von Oeconomicus , 04.02.2012 10:07

Hallo Haenschen,

vielen Dank für Ihre Meinung.

Ich fand das 3sat-Interview u.a. deshalb bemerkenswert, als nach meiner Kenntnis erstmals das Thema Schuldgeld öffentlich angerissen wurde.
Bei der Bewertung der Argumentation von Glunk und Saul habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich beide möglicherweise etwas intensiver mit Theorien des "Debitismus" beschäftigt haben könnten.

Wie Sie vielleicht wissen oder ahnen, sind die Wirtschaftswissenschaften sehr stark von bahnbrechenden theoretischen Erkenntnissen herausragender Ökonomen geprägt.

Daraus sind auch zahlreiche unterschiedliche Geld-Theorien entstanden. Diese hier vorzustellen und zu kommentieren, würde aus meiner Sicht den Rahmen dieses Forums sprengen.

Wenn Sie sich eingehender mit der Materie beschäftigen möchten, werden Sie im Netz sehr schnell fündig.

Prof. Bernd Senf hat beispielsweise recht interessante und gut verständliche Vorträge gehalten, die auf youtube zu finden sind.

Gleichwohl bin ich nach bestem Wissen gerne bereit, einzelne sehr konkret vorgetragene Fragen zum Themenkomplex die von allgemeinem Interesse sind, zu beantworten.

herzliche Grüsse und angenehmes Wochenende

Ihr Oeconomicus


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RE: Entmystifizierung des Begriffes Geld

#4 von haenschen , 04.02.2012 12:23

Hallo Oeconomicus,

Danke für die Antwort. Ich möchte ein wenig dagegenhalten.

„Wie Sie vielleicht wissen oder ahnen, sind die Wirtschaftswissenschaften sehr stark von bahnbrechenden theoretischen Erkenntnissen herausragender Ökonomen geprägt.“

Muss ich jetzt 4 Milliarden Frauen besuchen um eine Aussage über „die Frau“ wagen zu dürfen? Casanova hatte ca. 120 Geliebte. Ich kenne Menschen, die haben im zarten Alter von 40 Jahren mehr Geliebte gehabt. Sind halt fleißige Naturen. Ob die nun wissen, was eine Frau ist?

„Daraus sind auch zahlreiche unterschiedliche Geld-Theorien entstanden. Diese hier vorzustellen und zu kommentieren, würde aus meiner Sicht den Rahmen dieses Forums sprengen.“

Nun, Geld-Theorien gibt es in der Tat außerordentlich viele. Ich spreche hier aber nicht von „allen“ Geld-Theorien, sondern nur von einer: dem Debitismus. Denn diese Geld-Theorie ist Gegenstand von Glunks Interview und seinem Artikel in der Gazette.

Was sagte Sir Isaac Newton zu der Tatsache, dass der Apfel fällt? Er sagte nicht: „Wir müssen das alles anschauen, weil alles mit allem verbunden ist.“ Er antwortete: „Der fällt, weil es Schwerkraft gibt.“ Dafür gibt es eine „einfache“ Formel die er dafür erarbeitet hat. Lernt der junge Schüler im Physik – Unterricht und ist nicht die Welt. Dafür bekam Sir Isaac Newton den „Sir“ und einen Sitz in der Royal Society. Für die Aussage: „Alles hängt mit allem zusammen und wir schauen uns nun alles an.“ bekam er diese Würden nicht.

Ich habe eine logische Argumentation eingeführt, es war keine Fragestellung, sondern ein logischer Schluss. Logik: Wenn A wahr ist und B wahr ist, ist C wahr. Zum Beispiel....Wenn ich um 17 Uhr am Marktbrunnen war, kann ich nicht um 17 Uhr in der Stadthalle sein, es sei denn, der Marktbrunnen steht in der Stadthalle. Ich schaue mir nun nicht alle Stadtpläne dieser Erde an, um sicher zu gehen, dass es keine Stadt gibt in der der Marktbrunnen in der Stadthalle steht. Warum nicht? Weil es nicht die Regel ist, sondern die Ausnahme, die zumeist die Regel ja bestätigt. Erst ein Ereignis, das die Regel generell in Frage stellt muss beachtet werden. Beispielsweise das Ereignis: „Alle ausgegebenen Stadtkarten sind falsch.“ könnte das obige logische Argument zerstören. Denn dann gäbe es womöglich weitaus mehr Marktbrunnen in Stadthallen als gedacht. Nach diesem Ereignis sollte man beginnen nachzuzählen, wie viele es denn nun tatsächlich sind.

Andernfalls gilt die Regel und die dazugehörige logische Argumentation.

Ich habe in meinem Beitrag logische Argumente eingebracht.

Argument 1: Die Aussage, „Geld = Schuldgeld“ sei wahr.
Argument 2: Die Aussage, „Schulden nicht zurückzuzahlen löst die Schuldenkrise“, sei ebenfalls wahr.

Danach folgt Mein Schluss: Die Aussage: „Schulden nicht zurück zu zahlen bedeutet, dass zukünftig kein Schuldgeld mehr ausgegeben wird“, sei ebenfalls wahr.

Mindestens aber, um es noch mehr zu verschärfen gilt die Aussage: „Wenn Geld Schuldgeld ist, so führt die allgemeine Schuldenstreichung zu NULL Geld“. Keine Schulden, kein Geld. So sieht es aus. Und nach dieser Erfahrung wird keiner mehr Kredite ausgeben und damit auch kein Geld. Es sei denn, besagtes „Vertrauen“ käme zurück. Wie sollte es aber, wenn mit einem Schlag alle Schulden und auch alles Geld weg ist?

Daraus entsteht womöglich eine Aporie (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Aporie ), d. h. man zerstört was man eigentlich retten möchte. Operation gelungen, Patient tot! Der Patient ist unser Wirtschaftssystem, die Lösung (keine Schulden mehr zurück zahlen) sein Ende.

Glunks Beispiele von Argentinien und Russland hinken meiner Meinung nach. Argentinien ist in der Weltwirtschaft ein Fliegenschiss (Tschuldigung liebe Argentinier, aber es muss sein...) Dass dieser Schuldner ausfällt ist verschmerzbar. Russland war verschmerzbar. Aber wie sieht es denn aus, wenn Großbritannien, Deutschland, die USA, Japan als Schuldner ausfallen, wenn dort alle Schulden im Jubeljahr (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Jubeljahr ) verschwinden, und der Hauptteil allen Geldes (da ja Schuld = Geld ) dem Orcus (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Orcus ) zugeführt wird? Was bleibt dann von den ganzen Kapitalien? Wie sähe denn eine Welt aus in der all diese Kapitalien, mit denen wir uns so wunderbar nähren, vernichtet sind?

Entweder ist der Lösungsweg von Glunk und Co. zu kurz gedacht oder ich übersehe irgend etwas...


meint

Hänschen.


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RE: Entmystifizierung des Begriffes Geld

#5 von Oeconomicus , 05.02.2012 07:45

Hallo Haenschen

vielen Dank für Ihren Beitrag.

Ich bin mir nicht sicher, ob es in diesem Forum wirklich sinnvoll ist, einen ausführlichen philosophischen Diskurs über Debitismus oder eingehende Betrachtungen von Geldtheorien zu führen.

Ich denke, so mancher Leser hat ganz andere Probleme, etwa massiver Demokratieverlust oder einfach Zukunftssorgen, die sich daraus ergeben mögen.

Ich fände es daher angebracht, solchen Fragen die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken.

Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen Ihre eigenen Überlegungen zu diesem thread zu veröffentlichen. Ich bitte allerdings um Verständnis, dass mir hierzu einfach die Zeit fehlt, intensiv darauf einzugehen.

Vielen Dank für Ihr Verständnis

Oeconomicus

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RE: Entmystifizierung des Begriffes Geld

#6 von haenschen , 05.02.2012 10:45

Na ja, Im Gelben wär das nicht passiert. Da hätten sich alle mit Genuss auf so eine Frage geworfen und mit Leidenschaft in die Tasten gehauen. Aber hier...?

Und Gruß

haenschen  
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Geld ensteht aus dem Nichts (!)

#7 von Oeconomicus , 05.02.2012 15:15

Muscheln, Münzen oder Papier: Alles kann Geld sein. Aber wie funktioniert das?
Der Ökonom Prof. Joseph Huber erklärt, warum Banken ungehemmt Geld schaffen können.

http://www.taz.de/konom-ueber-das-Geldmachen/!86990/

Hier könnte sich ein recht amüsanter professualer Streit zwischen Joseph Huber und Rudolf Hickel (Uni Bremen) entstehen

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Geldschöpfung bei der Zentralbank:Gefährliches Privileg

#8 von Oeconomicus , 09.02.2012 13:58

Wenn ein Notenbanker telefoniert, geschieht Seltsames:
Es entsteht Geld, auf Knopfdruck. Die Bundesbank und die EZB können Geld aus dem Nichts schöpfen, theoretisch ist ihre Macht unbegrenzt.
Doch wenn etwa italienische Anleihen abstürzen, wird es knifflig.

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ge...vileg-1.1279543

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Silvio Gesell: Der Erfinder des rostenden Geldes

#9 von Oeconomicus , 16.03.2012 16:27

Er ist eine der schillerndsten Figuren in der Ökonomie. Seine Ideen spalten die Volkswirtschaft bis heute. Am 17. März wäre der Ökonom Silvio Gesell 150 Jahre alt geworden.

http://www.handelsblatt.com/politik/oeko...es/6330904.html

dazu Gunnar Heinsohn | Halbzeit der Krise
Ausschnitte:
Gunnar Heinsohn am 26.10. 2009 zu Gast im "Philosophischen Quartett" (ZDF):
Seine Thesen zu den Ursachen der so genannten "Finanzkrise" sind ebenso provokant wie plausibel. "Wir haben das Wirtschaften nicht verstanden!"

Teil I [9:47 Min] - http://www.youtube.com/watch?v=FtO8w1QAJSo

Teil II [9:04 Min] - http://www.youtube.com/watch?v=pSqE5IN6-BU&feature=related

Teil III [7:27 Min] - http://www.youtube.com/watch?v=3nvCcfdDPwk&feature=related

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Dauerbrenner Geldschöpfung

#10 von Oeconomicus , 20.03.2012 09:40

Helmut Creutz, der bekannte Wirtschaftsanalytiker und Publizist hat eine, wie ich finde, fulminante Analyse zur Geldschöpfung veröffentlicht.

Hier ein kurzer Auszug:

"Wenn Zusammenhänge schwer nachvollziehbar sind, dann hilft – wie schon Konfuzius wusste – oft eine Klärung der Begriffe.

Das gilt nicht nur für die Unterscheidungen von Bargeld und Geldguthaben oder Zahlungsmittel und Zahlungsvorgängen, sondern auch für den Begriff der Geldschöpfung, der für zwei Bedeutungen steht:
Einmal für die „Erschaffung aus dem Nichts“ und zum anderen für das „Aus- oder Umschöpfen“.

Überträgt man diese Bedeutungen auf den Geldbereich, dann treffen beide zu: Die „Schöpfung aus dem Nichts“, wenn es um die Geldausgaben der Zentral- oder Notenbanken geht.
Das „Aus- oder Umschöpfen“, wenn von den Banken Kredite aus Kundeneinlagen vergeben werden.

Weil jedoch auch diese Vorgänge bei den Banken immer wieder mit jenen der Zentralbanken verwechselt und als Schöpfungen gesehen werden, hier einige Klärungsversuche:


http://www.helmut-creutz.de/pdf/artikel/...huwi_2010_3.pdf

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RE: Dauerbrenner Geldschöpfung

#11 von Oeconomicus , 06.06.2012 09:16

Krisenverursacher, Krisenverstärker: Das Pyramidenspiel – Geldsystem

Unser Geldsystem ist alles andere als nachhaltig. Es sorgt für die ständige - leistungslose - Umverteilung von unten nach oben.
Es kollabiert seit Jahrhunderten etwa alle 2 Generationen, nur um wieder von vorne zu starten.
Es verursacht Wachstumszwang, hebelt Demokratie und Marktwirtschaft aus und leistet sogar Kriegen Vorschub.
Es wirkt als Krisenverursacher und - verstärker.
Trotzdem berichten die Massenmedien beinahe nichts über unser Geldsystem, seine Fehler und mögliche Alternativen.
Von zwei großen Problemen ist unser Geldsystem gekennzeichnet. Sehen wir uns beide wie auch mögliche Alternativen an.

.. hier geht es zu der vollständigen Betrachtung [PDF - 4 Seiten] von Dörte Diestel, Diplom-Volkswirtin, M.Sc.

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