Was nach dem Euro kommt
Die Auflösung einer Währungsunion ist machbar, wenn auch nicht unproblematisch. Der Ideenwettbewerb eines britischen Konservativen hat eine ganze Palette unterschiedlicher Modelle ergeben.
Von Karel Meissner
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Dabei ist der euro-kritische Geist auf der Insel immer noch lebendig, wie die seit einigen Monaten andauernde Rebellion von Hinterbänklern gegen Cameron zeigt. Von diesem Geist kündet auch eine Initiative eines dieser Tory-Rednecks, Lord Simon Wolfson, der im Herbst 2011 eine bemerkenswerte Ausschreibung gemacht hat: 300.000 Euro sollte der bekommen, der den besten Masterplan für die Auflösung der Euro-Zone vorlegt. 425 Expertisen gingen ein, Ende März 2012 wurden die fünf besten vorgestellt.
Zwei grundsätzliche Dimensionen beim Vorgehen lassen sich unterscheiden: Zum einen, ob die Euro-Zone im Konsens aufgelöst werden soll oder durch einseitige Austrittserklärungen. Zum anderen, ob die politisch Verantwortlichen das Euro-Ende für die Öffentlichkeit transparent oder im Geheimen vorbereiten.
Eine konsensuale und öffentliche Lösung schlägt etwa Jens Tepper vor, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes Variant Perception. Er sieht, ähnlich wie Vaclav Klaus, keine größeren Probleme bei der Entflechtung. Die Erfahrung mit 69 historischen Währungsgemeinschaften illustriere, dass das Auseinanderbrechen selten in einer Katastrophe ende. Voraussetzung sei allerdings, dass die grenzüberschreitenden Schulden im gegenseitigen Einvernehmen in die neuen Währungen umgerechnet würden.
Aber ob dieses „gegenseitige Einvernehmen“ so einfach herzustellen ist?
Jens Nordvig, ein langjähriger Top-Mann der US-Privatbank Goldman Sachs, problematisiert die von Tepper als selbstverständlich vorausgesetzte Umrechnung der Auslandsschulden.
Originell argumentiert die britische Fondsmanagerin Catherine Dobbs. Wenn der Euro verschwindet,sollen alle Bürger in der gesamten Währungsunion dafür eine Mischung an den wieder eingeführten Einzelwährungen erhalten, die dem Proporz bei Euro-Einführung entspricht. Die Sparguthaben zum Beispiel würden also am Tag nach der Umstellung nicht mehr auf Euro lauten, sondern aufgestückelt werden in die 17 neuen-alten Nationalwährungen. Was dann am übernächsten Tag passieren würde, wäre allerdings auch klar: Jeder, der rechnen kann, würde die Schwachwährungen von seinem Konto abheben und in harte Währungen, also vor allem D-Mark, umtauschen. Diese würde dann massiv aufwerten, die anderen abstürzen.
Auf dieses Absturz-Problem antworten die Studien von Neil Record, einem früheren Volkswirt der Bank of England, und von Roger Bootle, zuvor bei der britischen Privatbank HSBC beschäftigt. Beiden gemeinsam ist die Annahme, dass langwierige Verhandlungen über eine konsensuale Auflösung der Euro-Zone die Märkte verunsichern und zu massiver Kapitalflucht aus den Defizitländern führen würden. Deshalb empfehlen sie ein Vorgehen im Geheimen – man könnte auch von einem Währungsputsch sprechen.
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In Records Vision würde dieser Währungsputsch in der gesamten Euro-Zone gleichzeitig ablaufen und von einem deutsch-französischen Steuerungsgremium geplant werden. Dass dies, gerade angesichts der Spannungen zwischen Berlin und Paris, schwer vorstellbar ist, ist nur ein Problem. Schwerer wiegt, dass in diesem Modell ein oder zwei Großmächte den anderen Mitgliedsländern ihren Willen brutal aufzwingen.
Im Gegensatz dazu ist der Geheim-Plan von Bootle erfreulich antiimperial. Seine Expertise Den Euro verlassen: Eine praktische Anleitung richtet sich nur an aussteigewillige Einzelstaaten – sozusagen ein Tipp, um sich aus der Umklammerung des Währungsverbundes herauszuschleichen.
Elsässer's blog - vollständig lesen in der Printausgabe COMPACT 5/2012.