Was soll man von Plan B halten?

#1 von ExxE , 21.02.2012 18:42

Erstmal vielen dank für die komprimierten Infos,
da ich nicht mehr so viel Zeit zu Verfügung habe ist es sehr angenehm das Wichtigste der vergangenen Wochen zu erfahren und nicht immer auf das Mainstream angewiesen zu sein.

Nun kommen wir zum wesentlichen Teil.
Das Finanzsystem kollabiert, darauf haben viele Gruppierungen schon lange hingewiesen, doch bis jetzt gab es nur eine Gruppe die eine ernste Lösung bitten konnte.

http://www.wissensmanufaktur.net/plan-b

Da ich Ihre Meinung sehr schätze würde ich gerne wissen was Sie über Plan B denken.

Vor allem mit bedingungslosen Grundeinkommen habe ich meine Bedenken.

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RE: Was soll man von Plan B halten?

#2 von Oeconomicus , 21.02.2012 20:49

Hallo werter ExxE,

vielen Dank für diese interessante Fragestellung.

Ich bin einigermaßen überrascht, dass Sie mir hierzu eine objektive Bewertung zutrauen, da ich bislang in meinen Aufsätzen den "Plan B" noch nicht erwähnt hatte.

Ich schätzte vielerlei Positionen von Andreas Popp, wenngleich ich an manchen Stellen seiner Betrachtungen eigene Auffassungen entwickeln würde.

Um Ihre Frage nach bestem Wissen beantworten zu können, muss ich an der ein oder anderen Stelle etwas ausholen und bitte daher um Verständnis, dass mir heute Abend dazu die Muße fehlt.

Zum Thema BGE, Bestandteil der Säulen-Theorie von Plan B hätte ich gerne nachgefragt, welches Basiswissen an der Stelle bereits vorhanden ist.
Haben Sie sich etwa bereits mit der einschlägigen Literatur von Herrn Götz Werner beschäftigt, oder liegen Ihre Erkenntnisse noch an der Oberfläche?

Melde mich gerne, vermutlich morgen im Laufe des Tages mit einigen Gedanken zu Ihrer Frage zurück.

Ihnen einen angenehmen Abend und beste Grüsse

Oeconomicus


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RE: Was soll man von Plan B halten?

#3 von ExxE , 21.02.2012 23:53

Hallo Oeconomicus,
leider beschäftige ich mich erst seit kurzem mit der Frage des BGE davor konzentrierte ich mich nur auf das fließende Geld,
deshalb sah ich nur einige Vorträge die das BGE aufgreifen, festzustellen war jedoch, dass die Kritiker immer davon ausgingen, dass die Menschen nicht mehr arbeiten würden und ich weis auch nicht zu welcher Seite ich angehöre, denn Beide stellen lediglich Vermutungen auf und deshalb kann niemand wirklich sagen was passieren würde.
Je nach welches Menschenbild man wählt kommt man zu dem Entschluss für oder gegen BGE zu sein.

Rainer Hank & Götz Werner über das bGE - Pro-Kontra
http://www.forum-grundeinkommen.de/filme...-bge-pro-kontra

Aus meiner Sicht müssen wir in einem Teil von Deutschland dieses System testen, um zu erkennen welches Menschenbild der wahrheit entspricht, das Gebiet müsste aber groß genug sein z.B. das Saarland.

Mit freundlichen Grüßen

ExxE


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RE: Was soll man von Plan B halten?

#4 von fortunato , 22.02.2012 17:35

Hallo ExxE,

ich habe den genannten Diskussionsbeitrag auf den Seiten der Wissensmanufaktur gehört / gesehen. Danke für deinen Beitrag hier im Forum. Ich möchte auf diesen gerne antworten. Die Argumentationsstruktur habe ich wie folgt verstanden:

Ist-Analyse:

Das Zinseszins-System steht kurz vor dem Zusammenbruch, da exponentiell anwachsende Zinsforderungen ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr zu bedienen sind. Alle aktuellen „alternativlosen“ Aktivitäten dienen lediglich dazu, diesen Zusammenbruch hinauszuzögern, wobei der Gesetzesbruch als Mittel der Politik (siehe z. B. Bailout-Verbot) erst der Anfang ist. Es besteht die Gefahr, dass diese Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung, die diese Zinsforderungen ja durch Arbeit letztendlich bedienen muss, immer repressiver werden. Die „Kuh“ wird eben gemolken bis sie nichts mehr her gibt. (Über die Option, die „Kuh“ danach ins Schlachthaus zu schicken, wird derzeit auch schon nachgedacht.) Aus diesen vorgenannten Gründen heraus erscheint auch die Idee, eine neue Partei gründen zu wollen, eher sinnlos zu sein. Eine Parteigründung „zaubert“ ja diese Zwänge der Gegenwart nicht einfach weg. Alternative Zielvorstellungen sind daher wichtiger.

Zielvorstellungen:

Erstens: „Stichwort fließendes Geld“.
Der Punkt wurde nicht näher ausgeführt, ich vermute aber, es handelt sich um Geld mit einer Umlaufsicherung, sodass Geldhortung erschwert bzw. verhindert werden soll.

Zweitens: „Stichwort soziales Bodenrecht“.
Auch dies wird nur kurz ausgeführt. Hier handelt es sich um Ausgleichszahlungen an Menschen die keinen Boden haben, für Grund und Boden, welcher der Allgemeinheit entzogen wird.

Drittens: „Stichwort Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)“.
Diese recht zentrale Idee ist ja von Götz Werner schon ausführlich dargestellt worden. Die Idee ist, jedem Menschen in dieser Republik eine Grundversorgung zukommen zu lassen, ohne jede Bürokratie und ohne Vorschriften zu machen, wann, wo und wie man ein solches Grundeinkommen erhält. Das BGE umfasst nicht nur die arbeitende Bevölkerung, sondern auch Kinder und Alte. Im Gegenzug kann man sich die gesamte Sozialgesetzgebung (SGB I bis X), sowie die dazu gehörige Bürokratie (Arbeitsagenturen, Behörden aller Art, ärztliche und psychologische Gutachter, Sozialgerichte und andere Repressionsapparate weitgehend sparen). Das staatliche System würde sich dadurch wesentlich vereinfachen lassen. Ausgaben für diese Teile der Bürokratie übersteigen die Kosten für das BGE jetzt schon.

Im Vortrag wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das BGE nur funktionieren kann, wenn die Zielvorstellungen von Punkt 1 und 2 erfüllt sind. Also ohne soziales Bodenrecht und Geld mit Umlaufsicherung wird das BGE nicht den Zweck erfüllen, den es soll. Also müssten doch erst einmal Punkt 1 und 2 erfüllt sein, ehe man Punkt 3 angeht?

Viertens: „Stichwort Pressefreiheit“.
Hier werden Eingriffe ins Eigentumsrecht gefordert, um eine Konzentration der Presse, wie wir sie heute vorfinden, zukünftig zu verhindern.

Es ist klar, wenn auch nicht ausgeführt, dass die „Vier Säulen“ voneinander abhängen. Ein Geld mit Umlaufsicherung ist notwendig um Hortung von Vermögen zu verhindern. Ein soziales Bodenrecht ist nötig um eine „entschädigungslose“ Privatisierung von Allgemeingut zu verhindern. So geht bei Privatisierungen öffentlicher Güter (Bahn, Post, Telekommunikation, etc.) regelmäßig das Geld an der Bevölkerung vorbei, wird vom großen Kapital gegeben an den Staat, der es wiederum zur Bedienung von Zinsen ausgibt, etc... bis es wieder bei jenen landet, die damit Allgemeingüter gekauft haben. Nur eben der „Mittelstand“ und die abhängig Beschäftigten sind in diesem Kreislauf außen vor. Das BGE wiederum kann dauerhaft nur funktionieren, wenn es kein exponentielles Zinseszins-System gibt, das eben die Erträge der Allgemeinheit periodisch durch seine Forderungen bis auf Null reduziert. Pressefreiheit zur Meinungsbildung kann wiederum nur auf der Grundlage entstehen, dass die Presse nicht durch „Horter“ aufgekauft werden kann. Sie kann daher nur frei sein, wenn die Punkte 1 und 2 realisiert sind, die ja das Horten verhindern sollen. Die 4 Säulen bedingen einander.

Der Weg:

Richtig wird im Vortrag realisiert, dass der Ist-Zustand unerträglich ist und das Ziel weit entfernt. Also gilt es wie immer: Der Weg ist das Ziel ;-) .

Als „Etappenziele“ wurden eine öffentliche Zentralbank gefordert, die nicht im privaten Besitz ist. Daran anhängig natürlich sollte eine solche öffentliche ZB geschaffen werden. Weiterhin wird eine Staatsentschuldung gefordert, die aber wie gesagt eine solche öffentliche ZB ja voraussetzt. Denn Staatsentschuldung bedeutet „haircut“, also Forderungsverzicht aus der Sicht der „Horter“. Das wiederum bedeutet aber nicht nur Ausbuchung der Schulden, sondern auch der Forderungen. Letztlich aber bedeutet es die Reduktion der umlauffähigen Geldmenge, denn Geld ist in unserem System immer Schuldgeld, also Zahlungs- oder Leistungsforderung.

Daher ist eine weitere Etappe die Umwandlung von Staatsanleihen in Bankguthaben, damit der Sparer nicht gänzlich enteignet wird und der Staat von einem Schuldgeldsystem auf eine Art „Vollgeldsystem“ umsteigen kann. Zudem hätte ein solches Vorgehen den Vorteil, dass der „kleine Sparer“ bei der Staatsentschuldung geschont, der Horter hingegen voll zur Kasse gebeten wird.

Ich war und bin mir nicht so sicher, ob dies nun Etappenziele sind, oder ob es nicht Elemente der vier Säulen sind, die als „Details“ der vier Säulen anzusehen sind, also eigentlich in das Kapitel Zielsetzung gehört....

Der Weg dahin soll laut Vortrag sein:
Volkslobby, Einbringung von Gesetzen in den Bundestag, wobei dem Redner schon klar ist, dass dies im Wesentlichen abgeschmettert werden wird. Aber er hofft natürlich, dass es eine „Wirkung“ nach außen hat, wo dieses „Hohe Haus“ wirklich steht...
Ausarbeitung einer Verfassung gemäß Artikel 146 GG
Recht und Pflicht zum Widerstand, wenn alle diese Initiativen nicht wirken. Dieser Widerstand soll passiv sein. Darunter zu verstehen soll sein: Steuerboykott, Abzug von Gelder von 5% der Bundesbürger aus dem dem Bankensystem um die Zusammenarbeit zu kündigen, Tauschringe und Regionalwährungen, sowie weitere geordnete Strukturen außerhalb des Systems, um den bevorstehenden Crash besser zu überstehen.

So weit, so gut. Was ich an den Ausführungen der Wissensmanufaktur wirklich große Klasse finde ist, dass solche Diskussionen über Ist-Zustand, Zielvorstellung und Weg zum Ziel unbedingt sein müssen. Alles Andere wäre Larmoyanz. Herum zu jammern bringt ja kein Stück weiter! Wir brauchen alle das Positive, mit dem man sich identifizieren kann, um sich zusammen zu tun, und da wünsche ich der Wissensmanufaktur wirklich alles Glück der Welt, dass dies klappen kann. Ich finde es auch gut, dass Personen wie Schachtschneider, Popp, Berger, Senf, Hankel und Co. sich da trotz aller Differenzen (aufgrund ihres Herkommens) zusammentun um eine gemeinsame Plattform für ihr Wirken aufzubauen. Dies alles ist dringend nötig. Verständigung untereinander ist Trumpf, es bringt nichts, wenn alle einfach so weiter wurschteln wie bisher.

Andererseits sehe ich viele Elemente, die man genauer diskutieren müsste. Insgesamt halte ich zwar die Analyse für richtig, dass horten und ein Zins- und Zinseszins-System das eigentliche Problem der aktuellen Situation ist. Aber in den Zielsetzungen und auch in der Umsetzung der Ziele sehe ich noch viele Unklarheiten.

Systeme haben die „dumme“ Angewohnheit, dass sie in sich geschlossen sind und es so unendlich schwer ist, aus ihnen heraus zu kommen. Andererseits ist der Weg zu einem neuen „System“, wie es in den vier Säulen angedeutet ist, dadurch gekennzeichnet, dass es eben nicht richtig etabliert ist, wenn nur Teile davon verwirklicht sind. Das neue System stellt eben auch eine „Ganzheit“ dar.

Es ist gut, Ziele zu haben, aber man muss sich dessen bewusst sein, dass diese Ziele durch die Realität sehr stark modifiziert werden könnten, um sie zu verwirklichen. Entscheidend ist der Weg der Transformation, um zum Ziel zu kommen. (Ich hoffe, ich drücke mich hier nicht zu kompliziert aus...)

Am wertvollsten scheint mir zu sein, an den letzten Punkten zu arbeiten. (Steuerboykott, Tauschringe, Regionalgeld, Netzwerke aller Art, nichtstaatliche Strukturen aufbauen, direkte Demokratie, Gesetzesinitiativen, etc.) Man muss sich aber dabei immer eines klar machen. So friedlich man sich den Widerstand auch wünscht, es wird nicht ohne Prügel durch den Staat abgehen. Das zeigt schon die Geschichte von Gandhi, oder auch von Jesus... daher verwende ich bewusst den Ausdruck „Transformation“, denn gelebter Schmerz – wie auch immer er kommt - ist unvermeidlich und Teil dieser Transformation.

Meint

fortunato

P. S.: Für Fragen und Anregungen stehe ich gerne zur Verfügung.


Zusatz:

Ich möchte noch abschließend ein (zugegebenermaßen hinkendes) Beispiel für das Thema BGE geben, da du ja nachfragtest, ob die am Ende nicht alle faul sein würden, wenn sie das Geld „einfach so“ bekämen. Bitte das Beispiel nicht als „Militarismus“ verstehen... sondern als Beispiel dafür, dass auch Menschen, die ein fast bedingungsloses Einkommen bekamen, großes vollbringen konnten. Dies ist das Beispiel Spartas:

Sparta hatte ursprünglich ebenfalls ein auf Eigentum aufbauendes Gesellschaftssystem. Es gab ebenfalls in früher Zeit große Unterschiede zwischen Reich und Arm und es finden sich in den antiken Schriften viele Hinweise darauf, dass es die einfachen Spartaner unerträglich fanden, wie sich die Schicht der Reichen und Adligen unter ihnen aufführte (sind solche Parallelen Zufall?)

In der Geschichte Spartas gab es einen mythischen Gesetzgeber, Lykurgos genannt, der diesem Treiben des Adels und der reichen Händler ein Ende machte. Er schrieb eine neue Verfassung, die die Königsmacht brach. Von nun an gab es immer 2 Könige, die auch nur zeitlich begrenzt amtierten. Diese waren im Wesentlichen oberste Militärbefehlshaber. Sie wurden kontrolliert von der Versammlung der Vollbürger und vom Rat der Ältesten. Alle Bürger waren vor dem Gesetz gleich. Jeder hatte ein gleiches Stimmrecht. Geld wurde weitestgehend abgeschafft. Um zu verhindern dass das restliche Geld ins Ausland transferiert werden konnte, wurde es so groß gemacht, dass es physisch unmöglich war, es zu schmuggeln.

Jeder Vollbürger erhielt mit seiner Familie ein Landlos zugeteilt. Und durch die Summe dieser Maßnahmen erhielt jeder Spartaner ein „fast bedingungsloses Einkommen“, und zwar lebenslang. Dafür musste er eben nur eine Bedingung erfüllen: Nachdem er die sehr harte militärische Ausbildung durchlaufen hatte, musste er immer Waffen tragen und kämpfen können. Diese Forderung wurde durch ständige militärische Übung sicher gestellt. Dies war die einzige wirkliche Bedingung. Um sein Einkommen musste er sich nicht kümmern.

Das System hatte natürlich eine große Macke, die es von der Idee des BGE sehr unterscheidet. Die Spartaner versklavten für ihr „BGE“ die Nachbarvölker und zwangen sie zur Feldarbeit(Heloten), bzw. zu handwerklicher Tätigkeit (Periöken). Aber andererseits kann man wirklich nicht sagen, sie wären untätig geblieben oder hätten einfach faul ihre Erträge verfuttert. 300 spartanische Elitesoldaten unter dem König Leonidas hielten eine persische Armee von mehr als 100 000 Soldaten an den Thermopylen auf. Die Spartaner sind damit die Mitbegründer Europas, und auch ihre größten Streiter gewesen! Ohne sie gäbe es uns heute nicht.

Nachfolgend bedrohte Athen durch seine wirtschaftliche Stärke die Freiheit vieler griechischer Stämme, auch die der Spartaner. Diese überrannten in einem vierzigjährigen „Peloponnesischen Krieg“ Athen, waren aber aufgrund ihrer kleinen Zahl (es gab nie mehr als ca. 20 000 Spartaner) nicht in der Lage diesen Sieg zu nutzen und gingen daran zugrunde.

Man kann den Spartanern vorwerfen, dass sie ein nicht nachahmungswürdiges Finanzierungsmodell ihres „BGE“ hatten, aber den Nachweis, dass ein BGE nicht unbedingt faul macht, den haben sie ganz klar erbracht, denn „herumgesessen“ sind die nicht!


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RE: Was soll man von Plan B halten?

#5 von Oeconomicus , 22.02.2012 19:12

Herzlichen Dank, lieber fortunato

Jetzt bin ich doch gespannt, wie sich der Diskurs weiter entwickelt.

Vielleicht gibt es an der Stelle einige Nachfragen seitens unseres Lesers "ExxE" ... wir werden sehen.

beste Grüsse

Oeconomicus

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RE: Was soll man von Plan B halten?

#6 von ExxE , 22.02.2012 19:22

Hallo fortunato,

Vielen dank für den sehr ausführlichen Aufsatz.

ich will ja auch an das BGE glauben doch es gibt auch einen Gegenbeispiel mit dem Speenhamland-Gesetz 1795 - 1834 in England.

"Die Speenhamland-Gesetzgebung bezeichnet 1795 in mehreren englischen Countys nach einem gemeinsamen Vorbild beschlossene Sozialgesetze.
Mit diesen Gesetzen sollte das Problem der Armut der Landbevölkerung institutionell gelöst werden. Einen Arbeitsmarkt in unserem modernen Sinn gab es nicht, da die vorhergehenden Gesetze immer die Tarife festsetzten und gleichzeitig die Arbeiter in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkten. Die Arbeiter sollten dort arbeiten, wo sie wohnten, Vagabundentum wurde strikt verfolgt. Zugleich bekamen die Landarbeiter niedrige Löhne, mit denen sie ihre Familien nicht ernähren konnten. Um das Einkommen zu sichern und zugleich der Entstehung von Arbeitslosigkeit vorzubeugen, setzten diese Gesetze ein Existenzminimum fest, das sich am Brotpreis orientierte. Dies sollte durch Zuschlagzahlungen auf den Lohn aus der öffentlichen Hand erreicht werden. [1]
Die Kommunen subventionierten indirekt die Grundbesitzer mit der Folge, dass die Löhne noch weiter sanken. Zugleich hatten die Landarbeiter kein Interesse an Lohnsteigerungen, da ihr Lohn sich meist unter dem definierten Existenzminimum befand. Nach wenigen Jahren führte das zu einer Abnahme der Produktivität, was den Druck auf die Löhne noch weiter erhöhte. [2] Bis 1834 führte diese Praxis in Zusammenpiel mit dem Combination Act (Verbot von Gewerkschaften) weite Teile der Landbevölkerung in die Abhängigkeit.
Polanyi merkt jedoch auch an, dass die Gesetzgebung sich großer Beliebtheit erfreute: Die Eltern verbrachten mehr Zeit mit ihren Kindern, keiner musste Hunger fürchten, Kinder waren unabhängiger von ihren Eltern und die Arbeitgeber frei in ihrer Lohnpolitik. Er bezeichnet das System als die soziale Innovation des "Rechts auf Leben".[3]
Die Ursache des Scheiterns war zur damaligen Zeit unklar. Für die Armut wurden zunächst unterschiedliche Ursachen verantwortlich gemacht, bis hin zum aufkommenden Teekonsum. Die Verelendung der arbeitenden Bevölkerung trotz des Kombilohnmodells, das durch das Speenhamland-System etabliert war, bedurfte einer plausiblen Erklärung. So merkt Karl Polanyi in "The Great Transformation" an, dass Thomas Robert Malthus, Edmund Burke und Jeremy Bentham das Fallen der Löhne zur Zeit des Gesetzes nicht mit der kommunalen Subvention, sondern als Beweis für das damals in diesen Kreisen gebräuchliche „iron law of wages“, dem Existenzminimumsgesetz, ansahen. Verknüpft mit mechanistischen und biologischen Analogien, wuchs dieses Konzept bei Thomas Malthus zu „einem göttlichen Gesetz, das den Menschen vor Faulheit schützt“ an.
Das Scheitern von Speenhamland führte zu einer radikalen Abkehr von der bisherigen Unterstützung der Armen; Arbeit wurde auf Märkten handelbar – nur die Suche nach dem individuellen Vorteil (Homo oeconomicus) blieb als utopische Lösung übrig. Der Schock über die Pauperisierung zwischen 1795 und 1834 wurde zum Anlass genommen, das Marktprinzip auf Basis moralisierend-naturgesetzlicher Vorstellungen zu überhöhen."

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Speenhamland-Gesetzgebung


Nun Werner Götz meint die Rahmenbedingungen seien damals anders als heute,

ab 3:40
http://www.youtube.com/watch?v=WUbsmlngA...f=results_video

Deshalb fordere ich auch, es erstmal in unserer Zeit zu testen, anders können wir nur raten wer recht hat.

Mit freundlichen Grüßen

ExxE


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Unus pro omnibus – omnes pro uno.

#7 von Oeconomicus , 23.02.2012 04:08

Bedingungsloses Grundeinkommen: Schweizer Volksinitiative startet im April 2012

«Einer für alle – alle für einen» – klingt das nicht etwa nach Grundeinkommen?
Seit jeher steht dieser Wahlspruch in lateinischer Sprache im Zenit der altehrwürdigen Bundeshauskuppel in Bern: Unus pro omnibus – omnes pro uno…

Wenn man den Spruch aktualisiert und auch die Bürgerinnen meint, dann symbolisiert er die gegenseitige Verantwortung der Menschen füreinander in einer Gesellschaft mit Fremdversorgung.
Es scheint, als sei das Grundeinkommen im Geiste längst vorausgenommen worden.

Unus pro omnibus – omnes pro uno.

Am 21. April wird's konkret: Mit einem grossen Fest in Zürich startet die eidgenössische Volksinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen. Folgenden Grundsatz möchte das Volksbegehren in der Verfassung verankern:

Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.
Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.

Zurzeit ist der Initiativtext bei der Bundeskanzlei in der Vorprüfung und wird in die Landessprachen übersetzt. Derweil kommen immer wieder Menschen auf uns zu und melden ihre Mithilfe an. Diese Unterstützung ist herzlich willkommen und dringend nötig, braucht es doch 100'000 Unterschriften, damit die Initiative zustande kommt. Wer mit anpacken, eine Veranstaltung organisieren oder eine Unterschriften-Aktion planen will, unterstützen wir gerne. Bitte schreiben Sie an info@bedingungslos.ch.
Die Diskussionen ums Grundeinkommen laufen auf verschiedenen Ebenen: Am letzten Sonntag gab es in Bern eine Grundeinkommens-Werkstatt, im Hörpunkt auf DRS2 war das Grundeinkommen kürzlich grosses Thema, und viele weitere Veranstaltungen stehen an.

www.bedingungslos.ch

So ging auch die offizielle Website zur Volksinitiative online:
Unter www.bedingungslos.ch finden Sie alles Wichtige zur Volksinitiative: Initiativtext, Veranstaltungen und Kontakt zum Mitmachen. Die Unterschriftensammlung startet am 21. April. Selbstverständlich können bereits jetzt Unterschriftsbogen bestellt werden. Die französische und italienische Versionen der Website sind noch in Bearbeitung und werden Anfang April aufgeschaltet.

Die Website www.grundeinkommen.ch bleibt weiterhin die umfassende Webseite zum Kulturimpuls Grundeinkommen im deutschsprachigen Raum.

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#8 von Oeconomicus , 23.02.2012 04:10

Bedingungsloses Grundeinkommen: Schweizer Volksinitiative startet im April 2012

«Einer für alle – alle für einen» – klingt das nicht etwa nach Grundeinkommen?
Seit jeher steht dieser Wahlspruch in lateinischer Sprache im Zenit der altehrwürdigen Bundeshauskuppel in Bern: Unus pro omnibus – omnes pro uno…

Wenn man den Spruch aktualisiert und auch die Bürgerinnen meint, dann symbolisiert er die gegenseitige Verantwortung der Menschen füreinander in einer Gesellschaft mit Fremdversorgung.
Es scheint, als sei das Grundeinkommen im Geiste längst vorausgenommen worden.

Unus pro omnibus – omnes pro uno.

Am 21. April wird's konkret: Mit einem grossen Fest in Zürich startet die eidgenössische Volksinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen. Folgenden Grundsatz möchte das Volksbegehren in der Verfassung verankern:

Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.
Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.

Zurzeit ist der Initiativtext bei der Bundeskanzlei in der Vorprüfung und wird in die Landessprachen übersetzt. Derweil kommen immer wieder Menschen auf uns zu und melden ihre Mithilfe an. Diese Unterstützung ist herzlich willkommen und dringend nötig, braucht es doch 100'000 Unterschriften, damit die Initiative zustande kommt. Wer mit anpacken, eine Veranstaltung organisieren oder eine Unterschriften-Aktion planen will, unterstützen wir gerne. Bitte schreiben Sie an info@bedingungslos.ch.
Die Diskussionen ums Grundeinkommen laufen auf verschiedenen Ebenen: Am letzten Sonntag gab es in Bern eine Grundeinkommens-Werkstatt, im Hörpunkt auf DRS2 war das Grundeinkommen kürzlich grosses Thema, und viele weitere Veranstaltungen stehen an.

www.bedingungslos.ch

So ging auch die offizielle Website zur Volksinitiative online:
Unter www.bedingungslos.ch finden Sie alles Wichtige zur Volksinitiative: Initiativtext, Veranstaltungen und Kontakt zum Mitmachen. Die Unterschriftensammlung startet am 21. April. Selbstverständlich können bereits jetzt Unterschriftsbogen bestellt werden. Die französische und italienische Versionen der Website sind noch in Bearbeitung und werden Anfang April aufgeschaltet.

Die Website www.grundeinkommen.ch bleibt weiterhin die umfassende Webseite zum Kulturimpuls Grundeinkommen im deutschsprachigen Raum.

Nachtrag:

Hörfunk-Beitrag bei SR DRS
http://www.drs.ch/www/de/drs/sendungen/h...Mailing_3248613

weitere Beiträge zum BGE finden sich im fortunanetz-Archiv


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zuletzt bearbeitet 14.04.2012 | Top

RE: Was soll man von Plan B halten?

#9 von fortunato , 23.02.2012 19:22

Hallo ExxE,

glaube nichts, prüfe alles, nimm nur das Beste ;-)

Da du einen Wikipedia Artikel zitierst, in dem Polanyi vorkommt, muss ich sagen, es juckt mich geradezu in den Fingern! Denn Polanyi gehört für mich zu den großen Augenöffnern bei meinen Studien. Daher wurde er im Fortunanetz schon öfters zitiert. http://www.fortunanetz.de/trends/bigpic.php (oder einfach mal die Suchmaschine bemühen...)

Was schreibt Polanyi zum Speenhamland-Act? Historisch betrachtet kommt die englische Gesellschaft wie auch die westeuropäischen Gesellschaften aus einem mittelalterlichen System. Dieses beschreibt sich in groben Umrissen wie folgt:

Die Mehrheit der Landbevölkerung waren Selbstversorger. In den Gemeinden auf dem Land gab es Handwerker und Bauern. In den Städten gab es Handwerker und Dienstleister (Bäcker, Metzger, Schneider, etc. ), sowie den Beamtenapparat des Adels, der das Land und seine Infrastruktur verwaltete. Einen freien Arbeitsmarkt gab es NICHT! Warum? Weil das Handwerk ständisch organisiert war. Dies bedeutete, die Handwerkskammern/Zünfte bestimmten damals wer an welchem Ort ein Handwerk ausüben durfte. Auf dem Land war es ebenso. Industrie war nicht vorhanden. Eine freie Wahl des Arbeitsortes war undenkbar. Die Gemeinden und Städte regelten die Berufsausübung genau, damit keine existenzbedrohende Konkurrenz entstand.

Nun geschah in England etwas, das in diesem System einfach nicht vorgesehen war. Großgrundbesitzer entdeckten, dass sie mit Schafswolle wesentlich mehr Geld verdienen konnten als mit der Verpachtung ihres Landes an Bauern, da vor allem anfänglich in den Niederlanden und Belgien große Manufakturen entstanden waren, die Schafswolle zu Kleidung als Massenware umwandelten. Am Ende dieser Entwicklung stand nun folgendes Ergebnis:

Kleinbauern wurden von dem Land vertrieben, auf dem sie Lebensmittel für sich und den kleinen Dorfmarkt anbauten und stattdessen grasten Schafe die neuen Weiden ab. Es entstand ein Überhang an Personen, die in den ländlichen Gegenden nicht mehr unterkamen. Sie wurden landlos, waren Landstreicher und Bettler, und dies in großer Zahl.

Aufgrund der ständischen Ordnung wurde ihnen die Ausübung eines Gewerbes verboten. In die Städte ziehen konnten sie auch nicht, da wie gesagt Zunftordnungen verhinderten, dass sie eine Arbeit frei ausüben konnten.

Aus diesem Grund wurde der Speenhamland – Act beschlossen. Es gab eine „überschüssige“ Landbevölkerung, die aufgrund eines fehlenden Arbeitsmarktes keine Chance hatten, irgendeine Arbeit zu finden. Also wurden sie dauerhaft alimentiert. Diese dauerhafte Alimentierung führte in der Tat zu einer Verwahrlosung der Menschen, aber doch nur deshalb, weil es für sie in einer ständischen Gesellschaft dauerhaft keine Arbeitsperspektive gab.

Polanyi beschreibt in dem Teil über Speenhamland, dass die aufkommende Industrialisierung enorm arbeitskräftehungrig war, und aus diesem Grund wurde durch einen Beschluss des britischen Parlaments so weit ich weiß 1833/34 die Speenhamland Gesetzgebung per Mehrheitsbeschluss aufgehoben, weil man erstmalig in der Menschheitsgeschichte einen Arbeitsmarkt schaffen wollte. Dieser Schritt wurde gegangen, um die Industrialisierung zu befeuern, was dann auch unter katastrophalen Bedingungen für die Menschen auch geschah. (hierzu empfehle ich immer die grandiose Literatur von Charles Dickens, der diese wirklich üblen Zustände jener Zeit exakt beschrieb)

Ich finde wirklich, Herr Werner hat da Recht: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen und zwar ganz bewusst. Das BGE ist eine Grundsicherung unter der Bedingung, dass es einen etablierten Arbeitsmarkt gibt. Speenhamland war eine dauerhafte Alimentierung überschüssiger Landbevölkerung, die aufgrund der Gesellschaftsordnung in einer unabsehbar langen Perspektivlosigkeit lebte.


http://www.fortunanetz.de

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RE: Was soll man von Plan B halten?

#10 von ExxE , 25.02.2012 02:00

Danke für die Erläuterung,
wie man sieht habe ich mich mit diesen Thema nicht ausreichend befasst, habe es mir leicht gemacht in dem ich wissende Leute dazu befrage anstatt die Literatur selber zu lesen , wie schon gesagt bin ich für das bGE aber um die Leute davon zu überzeugen, darf man nicht zweifeln. Nochmals danke für alles.

Mit freundlichen Grüßen

ExxE


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